Als erster Mineralbrunnen in Deutschland hat der Bad Dürrheimer Mineralbrunnen sein gesamtes PET-Sortiment Anfang 2019 auf 100 Prozent Recyclingmaterial umgestellt. Wir sprachen mit der Entwicklerin und Leiterin Qualitätssicherung, Tanja Klemens, und dem Geschäftsführer Ulrich Lössl.
Herr Lössl, was hat Sie bewegt, Ihr PET-Sortiment auf 100 Prozent Recyclingmaterial umzustellen?
Ulrich Lössl: Als Bio-Mineralbrunnen, bei dem natürlich nachhaltiges und ganzheitliches Wirtschaften ganz oben auf der Agenda steht, schenken wir auch unseren Verpackungen große Aufmerksamkeit. Neben Glas-Mehrweg arbeiten wir deshalb seit vielen Jahren mit dem Petcycle-Kreislaufsystem.
Die 100 Prozent Recyclat-Flasche war zuerst gar nicht unser angestrebtes Ziel. Ursprünglich wollten wir den Anteil an Recyclingmaterial in unseren PET-Flaschen auf 75 Prozent steigern. Da eine Änderung der Zusammensetzung des Verpackungsmaterials weitreichende Konsequenzen haben kann, führten wir in unserem Haus zu dieser Herausforderung ein Forschungsprojekt mit umfangreichen Testreihen durch.
Frau Klemens, Sie haben das Projekt bei Bad Dürrheimer durchgeführt. Was war genau die Zielsetzung der Arbeit?
Tanja Klemens: Allgemein bekannt war, dass PET-Flaschen mit hohem Recyclatanteil deutliche Vorteile bei der Ökobilanz haben. Zu dem Zeitpunkt, als Bad Dürrheimer anstrebte, den Recyclatgehalt in seinen PET-Flaschen deutlich zu erhöhen, gab es jedoch kaum valide Untersuchungsergebnisse über ggf. mögliche Folgen.
Deshalb ging es darum, ausreichende wissenschaftlich gesicherte Kenntnisse und Erfahrungen zu sammeln. Meine Aufgabe war es also, den Einfluss des eingesetzten Anteils an recyceltem PET (auch rPET oder rePET genannt) auf die Flaschenqualität zu betrachten.
Ziel war es, möglichst viel Recyclat bei möglichst gleichbleibender Flaschenqualität verwenden zu können.
Was haben Sie alles untersucht und welche Erkenntnisse haben Sie letztendlich gewonnen?
Tanja Klemens: Wie bereits gesagt, war die Voraussetzung, dass die Stabilität der Flaschen wie bisher erhalten bleibt. Zunächst wurde in mehreren Mess- und Versuchsreihen dafür gesorgt, dass die Materialverteilung der Flaschen auch bei erhöhten Recyclatanteilen konstant bleibt. Diese hat den größten Einfluss auf die Stabilität der PET-Flaschen.
Anschließend wurden weitere Parameter betrachtet: beispielsweise die intrinsische Viskosität, welche ein Maß für den Polymerisationsgrad des PET-Materials ist, die Barriere-Eigenschaften gegenüber CO2, die Elastizität, die Farbe und einige weitere sensorische Merkmale wie Optik und Haptik der Flaschen. Zur Stoffmigration wurden insgesamt 10 verschiedene Analysenparameter verfolgt.
All diese Untersuchungen wurden mit Flaschen von 0 bis 75 Prozent Recyclatanteil durchgeführt.
Durch entsprechende Modifikationen, speziell beim Blasprozess, war es uns möglich, PET-Flaschen mit einem rPET-Anteil bis 75 Prozent ohne Qualitätseinbußen herzustellen. Lediglich bei der Elastizität der PET-Flasche punktete die Variante mit 0 % Recyclat bzw. aus 100 % Neumaterial mit geringfügig besseren Eigenschaften.
Und dann waren es plötzlich doch 100 Prozent rPET. Wie das ?
Tanja Klemens: Bereits bei den Versuchen und Untersuchungen bis 75 Prozent Recyclat gewannen wir den Eindruck, dass eine weitere Erhöhung des Recyclat-Anteils möglich schien. Weitere Testreihen mit 100 Prozent Recyclingmaterial in enger Abstimmung mit den Preform-Herstellern und externen Instituten gaben die Bestätigung.
Damit war der Grundstein dafür gelegt, dass wir als erster deutscher Mineralbrunnen den Weg mit der PET-Flasche aus 100 Prozent rPET gehen konnten.
Es gibt Stimmen, die behaupten, dass die 100-Prozent-Recyclat-Flasche nicht möglich oder nicht nachhaltig ist.
Ulrich Lössl: Ja, diese Stimmen gibt es. Die hierbei angeführte Argumentation ist meistens, dass es auf dem deutschen Markt gar nicht genügend Recyclat gebe, um diesen Weg gehen zu können. Unter anderem auch aufgrund der Materialverluste beim Recycling.
Wenn man die Fakten genau betrachtet, ist diese Argumentation schlichtweg Unsinn. Natürlich gibt es keinen Prozess auf dieser Welt der komplett verlustfrei läuft. Allerdings liegen die Verluste bei der Wiederaufbereitung des Wertstoffes PET beim Recycling unter fünf Prozent. Die Rücklaufquote bei dem kastengestützten Petcycle-System beträgt annähernd 100 Prozent. Das ist die wichtigste Voraussetzung für ein funktionierendes Recycling.
Die Recyclingquote über alle bepfandeten Einwegflaschen insgesamt liegt in Deutschland bei 97 Prozent. Hiervon kommt aber aktuell nur etwa ein Drittel wieder in eine neue PET-Flasche. Der Rest geht in andere Anwendungen wie z.B. die Folien- oder Faserherstellung. Es gibt demzufolge heute genug PET-Wertstoff für die Herstellung neuer PET-Flaschen aus 100 Prozent rPET.
Allerdings sind viele Unternehmen nicht bereit den im Vergleich zu neuem Virgin PET signifikant höheren Preis für PET-Recyclingmaterial zu bezahlen. Darüber wird in aller Regel nicht gesprochen. Aber es erklärt das ein oder andere Verhalten aus rein wirtschaftlichen Gründen.
Als zertifizierter Bio Mineralbrunnen berücksichtigen wir sowohl ökonomische als auch ökologische Kriterien und sind überzeugt, dass das langfristig der bessere Weg und das verantwortungsvollere Wirtschaften ist. Unsere 100-Prozent-Recyclingflasche wird ausschließlich mit recyceltem PET aus Deutschland hergestellt. Wir lassen uns unseren Materialkreislauf übrigens gerade von einer unabhängigen externen Stelle zertifizieren.
Das heißt aber auch, wenn alle PET-Abfüller auf 100 Prozent rPET umstellen, dass fünf Prozent PET fehlen?
Ulrich Lössl: Sie sagen es richtig – irgendwann und falls alle umstellen. Wenn das in vielen Jahren hoffentlich soweit kommen sollte und bis dahin wider Erwarten wirklich keinerlei weitere Entwicklung erfolgt sein sollte, dann würden definitiv um die fünf Prozent Recyclat fehlen. Und die maximale Altmaterialquote läge dann bei 95 Prozent. Irgendwann, weit in der Zukunft.
Wenn dann wirklich unsere gesamte Branche konsequent PET-Flaschen mit 95 Prozent Recyclingmaterial einsetzt, können wir uns freuen und stolz sein und brauchen nicht an den letzten fehlenden fünf Prozent zu verzweifeln. Im Übrigen bin ich fest von einer massiven Weiterentwicklung bei den Materialien und auch beim Recycling überzeugt.
Frau Klemens, ist die 100-Prozent-Recyclat-Flasche schon die denkbar umweltfreundlichste Verpackung?
Tanja Klemens: Die PET-Flasche hat ja auch noch ein Etikett und einen Verschluss. Außerdem stehen die gefüllten Petcycle-Kisten auf Paletten, die mit Kunststofffolie gestretcht werden. Das heißt, es gibt genügend Ansatzpunkte für eine noch bessere und klimafreundlichere Verpackung.
Die Etiketten konnten wir in der Zwischenzeit bereits auf 100 % Altpapier umstellen. Bei der Stretchfolie für die Paletten verwenden wir ebenfalls schon den aktuell maximal möglichen Recycling-Anteil. Wir arbeiten intensiv daran, in Zukunft auch den Verschluss aus 100 Prozent Altmaterial einsetzen zu können.
Herr Lössl, Sind 100 Prozent rPET ein cleverer Marketing-Schachzug als Antwort auf den momentanen Zeitgeist?
Ulrich Lössl: Mit solchen Kommentaren werden wir immer mal wieder konfrontiert. Nicht nur im Zusammenhang mit unserer 100-Prozent-Recyclat-PET-Flasche, sondern auch mit unserer Bio-Zertifizierung. Wir denken und leben nachhaltiges Wirtschaften sehr konsequent in allen Unternehmensbereichen. Übrigens schon sehr lange. Da sprach noch kein Mensch von Nachhaltigkeit!
Wir betreiben kein „Greenwashing“ mit ein bisschen Recyclat, ein bisschen Bio oder ein bisschen klimaneutral. Wir leben Umweltverantwortung und Naturschutz aus Überzeugung. Schließlich entsteht bestes und ursprünglich reines Mineralwasser nur in einer intakten Natur.
Da ist die Petcycle-Flasche aus 100 Prozent Altmaterial nur eine von vielen logischen Konsequenzen. So wie zum Beispiel auch, dass wir seit Jahrzehnten auf den ebenfalls klimafreundlichen Glas-Mehrwegpool der GDB setzen. Als biozertifizierter Mineralbrunnen engagieren wir uns zudem für Bodenschutz und extensive Landwirtschaft in unserer Heimat.
Unser Green Event Guide gibt unseren Partnern und uns selbst die Rahmenbedingungen für nachhaltiges Sponsoring vor. Im April 2020 werden wir die Marke „Bad Dürrheimer“ klimaneutral stellen. Hierbei kommt für uns nur der Scope 3 in Frage, da nur so das Unternehmen ganzheitlich betrachtet wird. Mit erster Priorität werden wir dabei immer CO2-Emissionen vermeiden oder reduzieren.
Insofern ist es nicht der clevere Marketing-Schachzug, der uns zu der 100-Prozent-Recyclat-Flasche bewegt hat. Es ist unsere Grundhaltung zu nachhaltigem Wirtschaften. Und da spielt die Verpackung natürlich eine wichtige Rolle.
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Wir empfehlen auch die Interviews mit Eric Schäffer, Inhaber und Geschäftsführer der Oppacher Mineralquellen zur Marktentwicklung oder mit Achim Jarck, Geschäftsführer der Romina Mineralbrunnen GmbH, zu Nachhaltigkeit von Petcycle-Flaschen.